Die ersten 3 Jahre an Bord – nichts lief wie geplant und deshalb genau richtig


Vor rund einem Jahr hatten wir das Strahlen des „endlich los“ im Gesicht. Wir haben den City Sporthafen Hamburg höchst dankbar für eine tolle Zeit dort während Corona verlassen. Wir haben uns aufgemacht, den nächsten Winter an Bord woanders zu verbringen. Direkt nach dem Nord-Ostsee-Kanal ging es los. Von dem Hafen, den wir als Winterhafen ausgesucht hatten, wurde uns dringend abgeraten. So landeten wir in Flensburg. Von da an? Lief alles anders – so richtig anders.

Wir sind nicht ausgestiegen, wir sind umgezogen

Nicht eine Seemeile, nicht ein Tag verlief so, wie gedacht. Wir beginnen zu begreifen, wie großartig es war, dass der Törn und all die Pläne, mit denen wir uns diesen Sommer in den buntesten Farben erträumt haben, so nicht stattfand. Diese Erkenntnis reift, als wir unser Schiff in Wedel ein letztes Mal aus dem Wasser holen und wir noch einmal für 6 Monate in eine Wohnung ziehen. Diesen Winter bekommt unsere Maitrī, was wir machen können, in Erfüllung des alten Spruches „Wir sorgen für unser Schiff, damit unser Schiff für uns sorgt“.

Wir begreifen, dass wir uns schlicht völlig überfordert hätten. Etwas wäre auf der Strecke geblieben. Entweder die Verantwortung unseren Klienten gegenüber, die Sorgfalt mit dem Schiff und auf dem Meer, das Erleben und die Freude an der Reise oder unsere Beziehung.

Wir haben nichts zurückgelassen

„Wir sind nicht ausgestiegen, wir sind umgezogen“, so beschreibt es Judith so trefflich. Vor drei Jahren sind wir zum ersten Winter von 160 m² auf gefühlte 27 m², verteilt auf 11,70 m Länge und 3,60 m an der breitesten Stelle umgezogen.

Ein Jahr lang haben wir Corona auf dem Schiff erlebt und Vollzeit gearbeitet. Währenddessen haben wir Wochenende für Wochenende immer weniger Kartons an Bord gehabt, weil die (vielen!) Geräte immer mehr verbaut wurden dorthin, wo sie hingehören.

Ein Jahr lang haben wir Corona auf dem Schiff erlebt und Vollzeit gearbeitet. Währenddessen haben wir Wochenende für Wochenende immer weniger Kartons an Bord gehabt, weil die (vielen!) Geräte immer mehr verbaut wurden dorthin, wo sie hingehören.

Drei Jahre lang hatten an keiner Stelle den Fuß vom Gas, was unsere Arbeitsverpflichtungen angeht. Wir sind mit und später wieder ohne Maske mit der Bahn durch die Lande gefahren, jeder von uns gut und gerne in drei Jahren 15.000 km, viele Übernachtungen.
Dann immer wieder zurück auf eine Baustelle, auf der unsere Betten waren, auf der unser Kater geschnurrt und wir mit dem Laptop auf dem Schoß das gemacht haben, was wir eben so tun.

Ein Jahr lang haben wir Corona auf dem Schiff erlebt und Vollzeit gearbeitet

Erst jetzt, erst heute, beginne ich zu begreifen, was manchmal Entscheidungen an Veränderungen bedeuten. Faszinierend ist für mich dabei, dass weder Judith noch ich an einem Punkt mit der Entscheidung gehadert haben. Jede Einschränkung, jedes „wieder nicht geliefert“, jede Nachricht, die mehr Geld und verzögerte Arbeiten bedeutet hat, war nicht stark genug, um unsere Vorstellungen von einem Leben kaputtzukriegen.

Drei Jahre sind wir nicht wirklich in Fahrt gekommen. Wir haben auf Ersatzteile gewartet, wir haben Menschen kennengelernt und wir haben unsere Geduld und die fröhliche Miene zu manch bitterem Spiel von Paketzustellern und Lieferzeiten trainiert und gestärkt.

In der Summe hatten wir jetzt drei Jahre, in denen wir uns gewöhnen durften und konnten. In denen wir merken und bemerken konnten, wie anders wir uns organisieren müssen, damit wir mit der Qualität leben, unsere Leistungen erbringen und unsere Träume verfolgen können, wie das unser Anspruch an uns selbst.

Wir haben damals viel darüber nachgedacht, bevor wir von Land und an Bord gegangen sind.
Heute lachen wir darüber, was wir dachten, dass wichtig sein wird. Was alles sicher geschickt sein würde und was sich wann und wie einspielen wird. Trefferquote? 15 %, und da ist schon viel Gnade gegenüber unseren eigenen Vorstellungen in der Antwort enthalten.

Drei Jahre lang hatten an keiner Stelle den Fuß vom Gas

Andererseits waren diese Pläne wichtig, denn sie gaben uns das Gefühl, dass das alles zu schaffen ist. Dass wir eben nicht nachlassen, in den Sack hauen und dass wir das schon hinbekommen.
Wie gut wir das hinbekommen haben, hat vor Kurzem unser lieber Freund Sascha auf den Punkt gebracht, als ich ein wenig schlechte Laune hatte:
„Wir seien immerhin noch verheiratet, und das, obwohl wir auf engstem Raum viele Monate sehr improvisiert gelebt haben.“

Was für ein Geschenk dieser Satz war. Denn ich habe überhaupt nicht mehr daran gedacht, mir bewusst gemacht, dass wir 3x365 Tage nie gestritten haben – persönlich, verletzt oder verletzend. Zur Sache gab es teils heftige Diskussionen, natürlich. Aber nie diese „versehentliche“ persönliche Attacke.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich auf einem anderen Weg, einem urbaneren Weg oder einem mehr projektweisen Abenteuer wie einem herausfordernden Trekking oder ähnlichem unsere Beziehung in ihrer Qualität für mich so intensiv hätte erleben können.
Die letzten drei Jahre aber haben das möglich gemacht. Allein das macht jedes „Maaaaan“ und jedes „Ver…“ vergessen.

Drei Jahre sind wir nicht wirklich in Fahrt gekommen.

Oft waren wir wirklich herausgefordert. Oft war die Stimmung unter der Wasserlinie. Jedesmal, ob im City Sporthafen Hamburg oder in Flensburg und auch die wenigen, fantastischen Male vor Anker konnten wir dann über den Bug nach vorn blicken. Wir haben uns gesagt und erinnert: Da vorn, da liegt unser Traum und das hören wir jetzt nicht auf, wir erreichen das.

Heute bin ich dankbar, dass unsere Begeisterung von der Realität abgebremst wurde. Dass wir jetzt sechs Monate Zeit haben, alle Eindrücke, alle Erfahrungen und alle Veränderungen noch mal zu beleuchten. Was funktioniert reibungslos, was funktioniert noch gar nicht, was ist noch gar nicht aufgerufen gewesen?
Was wird Teil unserer Bordroutine, wo sind Gefahren für Bauchumfang, Stimmung, Beziehung und Gesundheit?
Wo kann es beruflich leichter sein, und wo könnte unsere Qualität in Gefahr geraten?

Wir haben das einzigartige Geschenk erlebt, dass wir 3 × 365 Tage ein völlig neues Leben leben konnten. Wir haben die Erfahrung machen dürfen, dass alle unsere Kunden uns offensichtlich für so professionell halten, dass der ver-rückte Schritt dem keinen Abbruch tat. Sogar neue Kunden konnten wir - gerade auch wegen unseres Wegs - erreichen und überzeugen.
Offensichtlich konnten wir mit Judiths Slogan punkten – ein Reminder und eine leichte Botschaft für uns und alle um uns.

Andererseits waren diese Pläne wichtig

Heute, hier geht es mir – auch wenn das vielleicht der ein oder andere als Selbstbeweihräucherung interpretieren möchte – nicht darum, unsere Zeit als Maßstab oder die reine Lehre und einzige Glücksstiftung mitzuteilen und anzupreisen. Heute, nach drei Jahren will ich meine Freude über die letzten drei Jahre um meine Dankbarkeit, dass wir nicht so weit gekommen sind, wie wir kommen wollten, teilen.
Denn darin liegt der eigentliche Zauber der letzten drei Jahre. Die Realität, das, was war, hat einerseits unsere Begeisterung auf die Probe gestellt. Andererseits hat es uns aber davor geschützt, etwas so zu übertreiben, dass es zu einem Bruch oder einem Stimmungsriss kommt.

Ich möchte mit diesem Einblick ein wenig Wagemut kitzeln. Lange (3 Jahre vorher) und gründlich haben wir überlegt, über viele Varianten vor der Entscheidung gründlich nachgedacht, ausufernd geplant und unsere Träume und Vorstellungen mit einer guten Portion Konsequenzanalyse weitergedacht. Dieses Paket war wohl eines der Erfolgsrezepte der letzten drei Jahre.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich auf einem anderen Weg...

Wir haben uns teils die Ernüchterung und die harten Wochenenden krasser vorgestellt und uns damit heftiger konfrontiert, als es die letzten drei Jahre dann tatsächlich wurde. Denn einen Traum haben heißt nicht, dass er nicht auch manchmal einen hohen Preis hat. Auf diese Rechnungen des Zufalls und der Zukunft hatten wir uns vorbereitet.
Es ist einer der Glücksmomente, dass ich erleben darf, wie groß die Freude sein kann, weil man sich vorher lange und aufrichtig mit etwas beschäftigt hat. Denn so kommt man – meine ich – zwangsläufig auch zu Fragen wie der, ob man auch die wirklich harten Ein- und Rückschläge aushalten will und kann.

Judith und ich haben jede dieser Geistergeschichten immer mit einem klaren „Ja, dennoch“ beantwortet. Das muss man natürlich nicht, das ist nur ein möglicher Weg, eine Entscheidung, die wir zu unserer gemacht haben.
Wer für seine Vorstellung etwas Krasses plant, dem möchte ich hier den Mut machen, auch in eine negative Welt zu gehen, deren Gefühle genauso negativ sind, wie die Begeisterung über das Erreichen positiv ist. Wenn diese Gefühle auch ausgehalten werden wollen und können, dann kann immer wieder einmal dieser Zauber passieren, den wir „am Leben sein“ nennen.

Andererseits waren diese Pläne wichtig

All das zusammengenommen ist nur denkbar (mangels Lottogewinn und Erbschaft), weil wir immer darauf geachtet haben, dass sich beruflich für die Klienten nichts ändert. Dass unsere Präsenz, unsere Einsatzbereitschaft sichergestellt ist. Das haben wir für unser Ziel getan, ein Leben in Fahrt. Das haben wir nie wegen des Geldes getan. Dieses Vertrauen in den emotionalen Automatismus Leistung <> Gegenleistung ist ein fundamentaler Baustein unseres Lebens gewesen, geblieben und ist nicht verhandelbar.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich auf einem anderen Weg...

Auf einer Wiese zwischen Schafen und mit Blick auf die Elbe und die grüne Fahrwassertonne, an der wir dann Richtung Hamburger Yachthafen abgebogen sind, bin ich heute überzeugt davon, dass der schöne Slogan als Schlusssatz richtig ist:

Chase your dream, not the paper!

Chase your dream, not the paper!